Viele große B2B-Unternehmen kommunizieren über Ländergrenzen hinweg. Dadurch wird auch in der Ansprache von Geschäftskunden ein immer persönlicherer und menschlicherer Ansatz nötig. Doch empathische Kommunikation kann man nicht einfach von einer Sprache oder einem Kulturkreis in einen anderen übersetzen. Es gibt kulturelle Eigenheiten und ungeschriebene Gesetze, die über Erfolg oder Misserfolg in der Ansprache entscheiden. General Manager Heike Schubert, Allison+Partners in München, erklärt in diesem Blog-Post die Notwendigkeit von interkultureller Handlungskompetenz im internationalen Marketing.
Wie eine Studie von Allison+Partners aus dem Frühjahr 2020 aufzeigt, sieht eine große Mehrheit der Marketingexperten sowohl in Deutschland (82%) als auch in UK (97%) die Notwendigkeit, die Kommunikation im B2B-Umfeld menschlicher zu gestalten.
Das Ziel ist weniger philanthropisch als es den Anschein hat: Es geht um die Steigerung des Umsatzes (68% der Befragten in Deutschland gaben dies als wichtigsten Punkt an) und die Stärkung der Kundenbindung (55% in Deutschland). Was auf den ersten Blick so einfach klingt, ist bei genauerer Betrachtung ein höchst komplexes Vorhaben, wenn es sich um internationale Kampagnen handelt. Mehr denn je gilt hier: one size definitely doesn’t fit all.
Wir alle lernen, beziehungsweise sollten gelernt haben, uns nicht von Stereotypen leiten zu lassen. Das ist vor allem in einer stark globalisierten Welt mit grenzüberschreitenden Handelsströmen und internationalen Teams wichtig und ethisch richtig. „International“ bedeutet jedoch immer auch „interkulturell“ und verlangt folgerichtig, dass ein gutes Grundverständnis der jeweils anderen Kultur besteht.
Für eine Kommunikation, die Menschen mit Empathie anspricht, heißt dies, dass man als Marketingexperte zuerst einmal akzeptieren muss, dass Zielpersonen oder Zielgruppen durch das kulturelle Umfeld, in dem sie aufgewachsen sind, gegebenenfalls im Bezug auf vermeintlich allgemeingültige gesellschaftliche Parameter andere Erwartungen beziehungsweise Sichtweisen mit sich bringen.
Die Sozialpsychologie definiert diese Arten des Denkens, Wahrnehmens, Wertens und Handelns als Kulturstandards[1] oder Kulturdimensionen[2]. Sie geben quasi den Rahmen vor, in dem sich jeder von uns bewegt. Und das Erkennen der eigenen kulturellen Prägung ist unerlässlich, um dann im zweiten Schritt die Kulturstandards anderer Länder zu dechiffrieren und dann im internationalen Kontext entsprechend zu agieren und zu reagieren.
Folgende Kulturstandards konnten in der Forschung über die unterschiedlichsten Kulturen hinweg für Deutsche identifiziert werden:
Und? Erkennen Sie sich in einem dieser sieben Kulturstandards wieder? Jeden dieser Standards kann man sich als eine Art Skala denken, auf der man jede Kultur zwischen zwei Extrempunkten einordnen kann. Was soll ich sagen? In Punkto Sach- und Regelorientierung und beim Thema Zeitplanung sind wir Deutschen sozusagen ganz oben auf dieser Skala zu finden.
Was bedeutet dies für die Kommunikation und das Marketing im Bereich B2B? Nun, es kann nicht bedeuten, dass man bei aller menschlich empathischen Kommunikation in Deutschland vergisst, dass das Gegenüber von einem sachorientierten Hintergrund her gesehen werden muss. Auch wenn eine persönliche Ansprache und Fokussierung immer wichtiger wird, benötigen Menschen dennoch die notwendigen Informationen, um sich entsprechend abgeholt zu fühlen.
Die in Deutschland vorwiegende Präferenz der direkten und wahrhaftigen Kommunikation setzt der menschlichen Ansprache zudem einen klaren Rahmen. Das „um den heißen Brei“-Herumreden und Lavieren ist für Zielgruppen und Zielpersonen in diesem Lande einfach nicht fundiert genug und wird bei aller „von Mensch zu Mensch“-Ansprache von den meisten als Zeitverschwendung empfunden.
Diese beiden Beispiele zeigen klar, wie schwierig es sein kann, vor dem Hintergrund von unterschiedlichen Kulturstandard-Settings den richtigen Ton zu treffen. „Von Mensch zu Mensch“-Kommunikation sieht in jedem Land anders aus und muss jeweils individuell an die örtlichen kulturellen Gegebenheiten angepasst werden. Das war immer schon die große Herausforderung in internationalen Umgebungen. Im Bereich Marketing muss dies auch noch punktgenau in Sprache übersetzt werden, was ein Brennglas auf die Grundproblematik legt und bei Nichtbeachtung quasi im Flächenbrand Business-Opportunities vernichten könnte.
[1] Thomas, Alexander (2003): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation; Band 1 Grundlagen und Praxisfelder; S.25
[2] Hofstede, G. (2006, 3. Auflage): Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. München: Beck; S.37 ff.