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12 December 2022  //       //  Opinion

Die Mannschaft – Wenn Brand Building und Identität überstrapaziert werden

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft heißt künftig nicht mehr „Die Mannschaft“ und der Deutsche Fußballbund wird künftig nicht mehr aktiv mit diesem Beinamen werben. Mehrere Jahre versuchte man vergebens, „Die Mannschaft“ zu etablieren. Trotz der Euphorie des Sommermärchens 2006 und dem Wunsch nach Identität schaffenden Vorbildern scheiterte man. Das eher angestaubt und trocken wirkende Verbandswesen des deutschen Fußballs war hier sicherlich nicht hilfreich. Der Beiname hat zwar einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt, wurde er doch von Beginn an von Medien und Reporter:innen in der Berichterstattung aufgegriffen und penetriert. Er fand und findet auch im Ausland Anklang, erklärte unlängst DFB-Präsident Bernd Neuendorf. „Fakt ist aber auch, dass er in Fankreisen hierzulande mitunter kritisch gesehen und emotional diskutiert wird“, so der Hüter des bundesdeutschen Fußballs.

Der Beiname: ein Eigentor

Sehr viele Fans waren jedoch von Anfang an gegen „Die Mannschaft“. DFB-Direktor Oliver Bierhoff sorgte auf einer Pressekonferenz – auf der er mit Kritik an dem Namen konfrontiert wurde – für zusätzlichen Unmut an der Basis, als er von „Stakeholdern“ sprach und sich in Marketing-Buzzwords verzettelte. Dabei war der Versuch, diesen Namen zu etablieren, durchaus gut orchestriert und die Idee an sich keine schlechte. Immerhin haben auch andere Nationen schon lange geläufige Beinamen, beispielsweise „Gauchos“ oder „Albiceleste“ in Argentinien, „Three Lions“ in England oder „Équipe Tricolore“ in Frankreich. Nur in Deutschland tut man sich hier schwer.

Bierhoff erkannte das Potenzial und arbeitete mit kompetenter Unterstützung seines Marketing-Teams an der Entwicklung eines passenden Beinamens. Hier wurde im Zuge klassischen Brand Buildings viel richtig gemacht: Der Name „Die Mannschaft“ vereint gewissermaßen die Tugenden, die der deutschen Mannschaft gerade in Turnieren immer zugesprochen werden. Teamgeist und Zusammenhalt haben deutsche Mannschaften stets sehr weit getragen. Im Hintergrund hat der DFB fleißig an Philosophie, Markenwerten, Markenattributen, Naming und Positionierung gearbeitet und grundsätzlich keine schlechte Lösung erarbeitet. Man machte lediglich die Rechnung ohne den Wirt und vergaß diejenigen, die das Marketingkonstrukt zum Leben erwecken sollten: Die Fans, die den Sport Wochenende für Wochenende selbst auf dem Platz zelebrieren oder als zahlungswillige Zuschauer in den Stadien für volle Kassen bei Vereinen und auch beim DFB sorgen. Die breite Mehrheit empfand diesen Beinamen, der ohne Beteiligung der Fanbase entwickelt wurde, als zu künstlich und fremd und so fand er kaum Anklang in der breiten Masse.

Wenn allein schon die gewählte Sprache komplett an der Zielgruppe vorbeiführt

Was Marken von Nicht-Marken trennt und welches Image einem Unternehmen zugesprochen wird, entscheidet letztendlich der Verbraucher. Wie viele Unternehmen, musste auch der DFB sich einem Change-Prozess unterziehen, der bereits mehr als überfällig war. Ein neues Image musste her, die Marke „relauncht“ werden. Ein neuer Beiname für das Aushängeschild des deutschen Fußballs schien hier gerade richtig zu sein, hatte man ja bisher keinen. Zahlreiche Unternehmen, die zum Beispiel aus Gründen eines Firmenzusammenschlusses vor einer ähnlichen Aufgabe stehen und standen haben bewiesen: Es ist keine „Rocket Science“ – aber anspruchsvoll.

Das Markenerscheinungsbild, von Corporate Design über sprachliche Tonalität bis hin zur Interpretation derselben auf sozialen Plattformen, muss heute sehr viel mehr leisten als noch vor 20 Jahren. Die bisherigen Mittel wie z.B. Workshops reichen zur Identitätsfindung nicht mehr aus, um alle Anforderungen abbilden und berücksichtigen zu können. Ein wesentlicher Aspekt ist, einen Markenbildungsprozess nicht mehr nur zur reinen Managemententscheidung zu machen, sondern ins Unternehmen hineinzutragen und Mitarbeiter:innen aus allen Bereichen aktiv daran teilhaben zu lassen, Ihnen eine Stimme zu geben und Ihre Meinung zu erfragen und auch entsprechend zu berücksichtigen. Die Marke soll also tief in der Organisation verankert werden.

Nicht immer verderben viele Köche den Brei

Heute wissen wir, wie wichtig es ist, Lieferanten und Kunden miteinzubeziehen, um so einen weiteren Blick von außen auf seine eigene Marke zu erhalten und diese authentischer zu machen: Ein realistisches Markenbild, mit dem sich viele Menschen identifizieren können, soll entstehen. Partnerfirmen bzw. Lieferanten nehmen die Marke anders wahr als Vertreter der eigenen Organisation. Das gleiche gilt für Kunden. Von Standorten im Ausland ganz zu schweigen, da sie Märkte mit anderen Voraussetzungen und kulturellen Hintergründen bedienen. Der chinesische Markt ist hier ein gutes Beispiel: Dort ist es üblich, dass unter dem Firmennamen oder Firmenlogo stets noch ein Zusatz hinzugefügt wird. Dieser Beiname beschreibt meist den Firmennamen. Wir sehen also, dass Brand Building komplexer geworden ist und mehr Zeit bedarf als in den „guten alten Zeiten“. Aber auch, dass es sich lohnt, möglichst viele Parteien in diesen Prozess einzubeziehen.

Was also hat der DFB bloß falsch gemacht?

Ganz einfach – man hat die „Kund:innen“ vergessen. Sie im Vorfeld zu fragen. Sie ernst zu nehmen. Man dachte wohl, man könne das, wie gewohnt, einfach oben entscheiden, dann ausrollen und alle wären zufrieden. Wie wir jetzt sehen, wurden Umfragen zu spät gemacht – ein klassisches Eigentor. Die marketinggetriebene Penetration war zu intensiv und zu gekünstelt. Der DFB ist, wie der Name schon sagt, ein Verband bestehend aus Mitgliedern. Sie wurden nicht gefragt bzw. eingebunden. Aufkommende Kritik wurde von Beginn an ignoriert. Der Beiname an sich ist – wie bereits erwähnt – gut gewählt, deskriptiv und urtypisch für den deutschen Fußball. Dabei sehr generisch und bietet somit auch Platz für individuelle Interpretation und Assoziation. Handwerklich sozusagen 1A. „Die Mannschaft“ hätte vielleicht eine Chance gehabt, wäre der Beiname nicht „top down“ und mit aller Kraft der Fanbase vorgesetzt worden.

Das Denkmodell „Golden Circle“ von Simon Senik beschreibt ein Führungsinstrument und besteht aus drei relativ simplen Fragestellungen: Why, How und What. Also warum und wofür etwas wichtig ist, wie man seine Ziele erreichen und was das Unternehmen genau machen will, um diese Ziele zu erreichen. Der britische Unternehmensberater hätte vermutlich fachlich an der Konzeption des Beinamens „Die Mannschaft“ wenig zu kritisieren gehabt. Und doch hätte er die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, was das Ausrollen der Kampagne betrifft. „Fußball ist des Deutschen liebstes Kind“, sagt man so schön – und genau deshalb hätte man die „Kund:innen“ hier unbedingt miteinbeziehen müssen.

Wäre der Name weniger aggressiv penetriert und vom Management den Medien und Fans nicht einfach so in quasi absolutistischer Art und Weise übergestülpt worden, hätte der Beiname eine Chance gehabt. Er hätte über einen längeren Zeitraum von selbst den Weg in die Herzen der Fans und somit in die Stadien finden können. Medien hätten ihn automatisch aufgenommen und bekannt gemacht. Ihn nennen zu müssen, weil er in den Pressemitteilungen des DFB so vorgeschrieben wird, machte den Weg in die Herzen der Menschen schwierig. Man hatte einmal mehr nichts gelernt, denn ähnliche Diskussionen an der Fanbasis gab es schon rund um andere Benennungen – beispielsweise bei Stadien.

Auch, wenn es durchaus viel länger dauert, mühseliger und weniger plan- und steuerbar ist, ist das Einbeziehen mehrerer Sichtweisen im Definitionsprozess einer Marke richtig und wichtig. Hätte man von Beginn an die Basis (Fans) in den Findungsprozess integriert, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Jahre lang eine Diskussion um dieses Thema entstanden und der Beiname hätte letztendlich nicht eingestampft werden müssen.

Weniger ist manchmal einfach mehr.

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